"Unterschrift unter das Todesurteil für die PKK", titelte die größte türkische Zeitung Hürriyet am Dienstag über das Ergebnis eines Treffens im Irak. Zuvor hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit dem irakischen Präsidenten Abdul Latif Rashid und Premierminister Mohamed Schia al-Sudani Besprechungen geführt. Erstmals seit 13 Jahren hatte er das Nachbarland am Montag besucht – und dabei Gewichtiges vorbereitet.

Recep Tayyip Erdoğan mit dem iranischen Premier Mohamed Schia al-Sudani.
Recep Tayyip Erdoğan mit dem iranischen Premier Mohamed Schia al-Sudani.
AP/Thaier Al-Sudani

Der Besuch war sorgfältig geplant worden und soll nun eine neue Ära im Verhältnis der beiden Nachbarländer einläuten. Dabei war viel von gemeinsamen Projekten die Rede – so soll die Türkei in den kommenden Jahren ein 17 Milliarden Dollar teures Straßen- und Eisenbahnnetz quer durch den Irak vom Persischen Golf bis in die Türkei bauen. Doch im Kern ging es um einen einzigen Deal: Die Türkei will die Unterstützung der irakischen Regierung für die militärische Verfolgung der kurdischen PKK-Guerilla, die im Nordirak ihr Hauptquartier hat, und der Irak verlangt im Gegenzug, dass die Türkei endlich wieder mehr Wasser aus den Flüssen Tigris und Euphrat in das Nachbarland lenkt, statt alles in eigenen Staudämmen und Bewässerungsanlagen selbst zu verbrauchen.

Kommission für Wasserexport

Iraks Ministerpräsident al-Sudani hat im Verlauf des Besuchs klargemacht, dass der Irak auch deshalb unter für sein Land lebensbedrohendem Wassermangel leidet, weil die Türkei an den Oberläufen der beiden Flüsse zu viel von dem kostbaren Stoff zurückhält. Nachdem die Türkei jahrelang abgewiegelt und immer wieder darauf verwiesen hatte, dass in den Wirren der irakischen Politik überhaupt kein Ansprechpartner für Verhandlungen über Wasserrechte zur Verfügung stünde, hat Erdoğan nun eingeräumt, dass ein gemeinsames Wassermanagement zwischen beiden Ländern notwendig ist.

Es wird eine Kommission eingerichtet, die nun auf wissenschaftlicher Grundlage klären soll, welche Wassermenge dem Irak aus dem Tigris und mittelbar auch aus dem Euphrat zusteht. "Wir werden uns bemühen, den irakischen Erwartungen nachzukommen", sagte Erdoğan in Bagdad. Dafür, so der türkische Präsident, "haben wir klare Erwartungen an den Irak".

Auch mit Massud Marzani, Chef der irakischen Kurdenpartei KDP, gab es ein freundschaftliches Treffen.
EPA/MURAT CETIN MUHURDAR/TURKISH

Die türkische Regierung will, dass der Irak die PKK zur Terrororganisation erklärt, und Erdoğan will dabei "helfen", dass man "von dieser Terrororganisation befreit wird". So weit ist es aber trotz gegenteiliger Behauptungen von Hürriyet und anderen türkischen Medien noch nicht. Bei einem Treffen im März zwischen den Verteidigungsministern beider Länder hatte der Irak klargemacht, dass er sich nicht an Militäroperationen gegen die PKK beteiligen wird. Daran hat auch der Besuch Erdoğans jetzt nichts geändert, aber abhängig davon, wie es mit dem Wasser weitergeht, wird die irakische Regierung türkische Militäroperationen gegen die PKK auf irakischem Territorium dulden.

Einsatz vorbereitet

Doch das Gebiet im Nordirak, in dem die PKK sich aufhält und ihr Hauptquartier aufgebaut hat, gehört zur Selbstverwaltungszone der irakischen Kurden. Für die Türkei kommt es deshalb vor allem auf deren Kooperation an.

Erdoğan flog deshalb am Montagabend von Bagdad aus noch in die Hauptstadt des kurdischen Autonomiegebietes, nach Erbil, um sich da mit Nachivan Barzani, dem Präsidenten des Autonomiegebietes, zu treffen. Erdoğan hat seit langem ein gutes Verhältnis zur Barzani-Familie, die einen Teil des Nordirak beherrscht. Tatsächlich ist der Nordirak aber in zwei Einflusszonen geteilt, von denen zwar die Demokratische Partei der Barzanis die größere kontrolliert, doch die zweite große Kurdenpartei PUK macht bei dem Deal zwischen der Türkei und den Barzanis bisher nicht mit. Ihr Gebiet um die Stadt Sulaimaniyya steht der PKK nach wie vor offen.

Dennoch bereitet die türkische Armee derzeit bereits einen großen Militäreinsatz gegen die PKK im Nordirak vor, der noch im Frühjahr oder spätestens im Frühsommer losgehen soll. Ziele sind das PKK-Hauptquartier in den Kandil-Bergen und die Einrichtung einer Pufferzone entlang der türkisch-irakischen Grenze. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 23.4.2024)