Mit dem aktuellen Zustand der Kinderbetreuung in Österreich kann Susanne Raab nicht zufrieden sein, das sagt sie selbst: "Ich will für die Familien echte und ehrliche Wahlfreiheit", jedoch: "Tatsache ist, dass sie noch nicht gegeben ist." Das ist eines der zentralen Ergebnisse des ersten Monitoring-Berichts zur Kinderbetreuung, den die Kanzleramtsministerin (ÖVP) am Dienstag vorgestellt hat.

Ein Kindergartenpädagoge im Sitzkreis mit Kindergartenkindern
Elementarpädagogik soll in Österreich ausgebaut werden. Der Status Quo variiert stark von Bundesland zu Bundesland.
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Österreichweit steigt der Anteil der Kinder in Betreuung mit jedem Lebensjahr grundsätzlich an. Rund ein Viertel der Einjährigen besucht eine Krippe, bei den Zweijährigen sind es schon 59 Prozent. 89 Prozent der Dreijährigen gehen in den Kindergarten.

Die meisten Mütter arbeiten Teilzeit oder gar nicht

Dass weniger unter Dreijährige in Betreuung sind als größere Kinder, "ist auch verständlich", findet Raab. Klar sei jedoch, dass "der Betreuungsbedarf gestiegen ist". Wobei es der Familienministerin gar nicht zwingend darum geht, die Zahl der Kinder in Betreuung zu erhöhen, sondern darum, den Eltern die Möglichkeit zum Arbeiten zu geben, wie sie sagt.

Oder besser gesagt: den Müttern. Denn was die Statistik Austria fürs Kanzleramt ebenfalls aufbereitet hat, ist die Entwicklung der Erwerbstätigkeit von Eltern. Dabei zeigt sich, dass Väter relativ unabhängig vom Alter des Kindes weiterarbeiten: Zwischen 81 und 87 Prozent der Väter arbeiten Vollzeit. Der Anteil von Müttern in Vollzeitjobs schwankt in den ersten fünf Lebensjahren zwischen zehn und 16 Prozent. Ein Fünftel der Mütter ist überhaupt nicht erwerbstätig.

Vereinbarkeit mit Vollzeitjob entscheidend

Insgesamt besuchen knapp 330.000 Kindern unter sechs Jahren Betreuungseinrichtungen. Aber nur rund die Hälfte davon ist in Kindergärten oder -krippen, die den Eltern einen Vollzeitjob ermöglichen. Ob das der Fall ist, gibt der Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf (VIF) an. Diese Zahlen variieren stark von Bundesland zu Bundesland: Während in Wien etwa 90 Prozent der dreijährigen Kindergartenkinder in eine VIF-konforme Einrichtung gehen, sind es in Niederösterreich nur 26 Prozent, in Oberösterreich 28.

Sehr oft bilden die letzteren beiden Bundesländer die Schlusslichter in den Zahlen des Berichts. Wobei Raab bemüht schien, das den ÖVP-regierten Bundesländern nicht allzu negativ auszulegen, sondern ihre Bemühungen hervorzukehren: Oberösterreich etwa habe jüngst das Einstiegsgehalt für Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen auf 3200 Euro brutto erhöht, Niederösterreich allen Zweijährigen den Zugang zu Landeskindergärten ermöglicht. "Viele Entwicklungen, die die Bundesländer gesetzt haben, bilden sich noch nicht in der Datenlage ab", sagt Raab.

Länder und Gemeinden tun "viel"

Überhaupt würde "viel getan" von Ländern und Gemeinden, die ja für die Umsetzung der Kinderbetreuung zuständig sind. "Wir wollen diesen Weg ordentlich beschleunigen", sagt die Ministerin. Der Monitoring-Bericht wurde ja als Begleitmusik zum Elementarpädagogik-Paket vorgestellt, das die türkis-grüne Bundesregierung im Vorjahr vorgestellt hat. Ländern und Gemeinden werden dabei bis 2030 4,5 Milliarden Euro für den Ausbau der Einrichtungen zur Verfügung gestellt.

Susanne Raab
Familien- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) sieht Länder und Gemeinden auf einem guten Weg.
APA/EVA MANHART

Die Zahlen aus dem Bericht sind nicht neu, erklärt Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria, aber sie seien nun erstmals kompakt zusammengefasst. Besonders wichtig sei auch die Aufschlüsselung der unter Dreijährigen in einzelne Altersjahre, da es hier große Unterschiede gebe. In Zukunft soll der Bericht laufend aktualisiert werden, um zu überprüfen, ob das zusätzliche Geld auch für ein besseres Angebot sorgt.

Kritik von roten Kinderfreunden

Die SPÖ-nahen Kinderfreunde, selbst Betreiber privater Kindergärten, kritisieren Raab auf Basis des Berichts. "Eine sogenannte Wahlfreiheit bringt Eltern nichts, wenn es schlicht keine Plätze in der Region gibt", sagt Bundesgeschäftsführerin Daniela Gruber-Pruner. "Eltern und ihre Kinder brauchen einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kinderbildungseinrichtung." Die Kinderfreunde hoffen, dass das Geld des Bundes "auch schnell seinen Weg in die Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen findet". (Sebastian Fellner, 23.4.2024)