Die Fachwelt hält es für gut möglich, dass einige wichtige Bausteine für die Entstehung des Lebens auf der Erde aus dem Weltraum kamen. Viele komplexe Verbindungen und organische Substanzen bis hin zu Aminosäuren konnten bereits auf anderen Himmelskörpern oder in interstellaren Gas- und Staubwolken beobachtet werden. Eine nun veröffentlichte Studie zeigt, dass sich auch sogenannte Peptide unter den Bedingungen des Weltraums bilden können, und zwar deutlich häufiger als gedacht.

Was wir heute Leben nennen, basiert im Wesentlichen auf großen, komplexen organischen Molekülen auf Kohlenstoffbasis, die wiederum aus einer Vielzahl kleinerer, einfacherer Moleküle wie Aminosäuren zusammengesetzt sind. Will man etwas über den Ursprung des Lebens herausfinden, muss man auch verstehen, wie und wo diese Bausteine entstehen und unter welchen Bedingungen sie sich spontan zu komplexeren Strukturen zusammensetzen.

Chamäleonwolke
In interstellaren Molekülwolken wie der Chamäleonwolke (hier eine Aufnahme mit dem Hubble-Weltraumteleskop) im südlichen Sternbild Chamäleon können sich auf Staubpartikeln chemische Lebensbausteine entwickeln.
Foto: Nasa/Esa/Hubble

Peptide im Weltraum

Zu diesen kleineren Molekülen zählen auch die sogenannten Peptide, die kettenartige Strukturen aus Aminosäuren bilden. Peptide können aus nur zwei Aminosäuren, aber auch aus Hunderten von Aminosäuren bestehen. Sie erfüllen wichtige Funktionen, etwa bei der Verstärkung biochemischer Reaktionen, doch trotz ihrer potenziell bedeutenden Rolle bei der Entstehung des Lebens war es für Peptide nicht so einfach, sich unter den Umweltbedingungen auf der frühen Erde spontan zu bilden.

Zwar könnten diese Kettenstrukturen aus Peptidbindungen in seltenen Fällen auch auf Staubkörnern im All entstehen, wie früher Untersuchungen nachgewiesen haben. Doch bisher ging man davon aus, dass das nicht möglich ist, wenn in dem molekularen Eis, das das Staubkorn bedeckt, Wasser vorhanden ist – was aber meistens der Fall ist.

Simuliertes All

Nun konnte ein Team um Serge Krasnokutski vom Max-Planck-Institut für Astronomie an der Universität Jena zusammen mit Kolleginnen und Kollegen von der französischen Universität Poitiers diese Annahme als Irrtum entlarven. Tatsächlich ist die Anwesenheit von Wassermolekülen kein großes Hindernis auf dem Weg zu Peptiden, wie Experimente unter Weltraumbedingungen gezeigt haben.

"Wir haben in einer Vakuumkammer Bedingungen nachgestellt, wie sie im Weltall herrschen, und dabei auch die Substanzen hinzugegeben, wie sie in sogenannten molekularen Wolken vorkommen", erklärte Krasnokutski. Diese Substanzen sind Ammoniak, atomarer Kohlenstoff und Kohlenmonoxid. "Damit sind alle chemischen Elemente vorhanden, aus denen einfache Peptide bestehen", sagte der Physiker.

Serge Krasnokutski in seinem Labor am Max-Planck-Institut für Astronomie, Jena
Serge Krasnokutski vom Max-Planck-Institut für Astronomie der Universität Jena untersuchte gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen mit einer Vakuumkammer die Bildung von Biomolekülen unter Weltraumbedindungen.
Foto: Jens Meyer / Universität Jena

Hinderliches Wasser?

Aus diesen Ausgangsstoffen entstehen zunächst chemische Vorstufen von Aminosäuren: sogenannte Aminoketene. Diese verbinden sich schließlich zu Ketten, sodass am Ende Polypeptide vorliegen. "Bisher hatte man die Vermutung, dass die einzelnen Aminoketene sich zu Peptiden verbinden, wobei Wasser frei wird", sagte Krasnokutski.

Für diesen Schritt könnte es also entscheidend sein, dass kein Wasser zugegen ist, da dies die Reaktion behindern würde. Die meisten interstellaren Staubkörner seien allerdings mit wasserhaltigem molekularem Eis bedeckt, so der Wissenschafter. Daher vermutete man bisher, dass sich die Bildung von Peptiden im Weltall, wenn überhaupt, dann nur in geringem Maße vollzieht.

Nur etwas langsamer

Wie das Team nun im Fachjournal "Science Advances" berichtet, zeigten hochpräzise massenspektrometrische Untersuchungen an der Universität Poitiers jedoch, dass anwesendes Wasser im molekularen Eis die Bildung von Peptiden zwar um fünfzig Prozent verlangsamt, sie aber trotzdem entstehen. "Wenn man die Zeitskalen betrachtet, in denen astronomische Prozesse ablaufen, ist diese Verlangsamung so gut wie vernachlässigbar", sagte Krasnokutski.

Die Frage, ob nun die ersten Biomoleküle auf unserem Planeten terrestrischen oder außerirdischen Ursprungs sind, lässt sich damit freilich nicht beantworten. Dass das Rezept für die Ursuppe am Anfang des biologischen Lebens auch Zutaten aus dem Weltraum enthalten könnte, ist durchaus plausibel, wie die neue Entdeckung verdeutlicht. (tberg, red, 23.4.2024)