Der Parkplatz ist dunkel, nur eine Straßenlaterne leuchtet. "Der 24.4.2024 wird sehr schlimm für alle Mädchen" ist in einem Video auf der Plattform Tiktok zu lesen. "Warum?" wollen Personen in den Kommentaren wissen. Eine der Antworten: "Da dürfen alle Männer/Jungs mit Mädchen alles machen."

Videos wie dieses kursieren seit ein paar Jahren in den sozialen Medien. Vergewaltigungen seien am 24. April, dem angeblichen "National Rape Day", legal, wird hier von manchen verbreitet. Das ist natürlich falsch. Es gibt keinen "Rape Day". Straftaten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sind an jedem Tag im Jahr, wie es der Begriff "Straftaten" bereits ausdrückt, verboten. Trotzdem, viele Personen, die Tiktok nutzen, sind verunsichert. So auch Schülerinnen einer Wiener Mittelschule. Bei einer Besprechung zur Landschulwoche äußerten sie ihre Ängste bei den Lehrkräften.

Screenshot von einem Tiktok Video
Vermeintlich kleine Reichweite – aber große Auswirkungen. Was Kindern und Jugendlichen online Angst macht, bleibt für Erwachsene oft verborgen.
Screenshot Tiktok

Eine Lehrerin schildert die Situation in der Klasse im Gespräch mit dem STANDARD folgendermaßen: Sie und ihre Kollegin hätten den circa zwölfjährigen Schülerinnen und Schülern den Ablauf der Landschulwoche, Abfahrtstag genau jener 24. April, erklärt. Daraufhin habe sich eine Schülerin zu Wort gemeldet: "Das ist ja der Vergewaltigungstag, da darf man straffrei vergewaltigen." Einige weitere Schülerinnen hätten ihr beigepflichtet, Informationsquelle: Tiktok. Sie seien sich nicht sicher, ob es stimme, aber Angst, dass "etwas passieren könne", hätten sie trotzdem.

Die Lehrerinnen klärten die Klasse auf, dass Vergewaltigungen immer verboten seien. Sie vermuteten, dass der "Vergewaltigungstag" eigentlich ein "Anti-Vergewaltigungstag" sein könnte. Ein Tag, der darauf aufmerksam machen solle, dass man eben nicht vergewaltigen dürfe. Wovon die Schülerinnen aber genau redeten, wussten die Lehrerinnen nicht, sie seien beide nicht auf Tiktok. Daher hätten sie nach der Unterrichtsstunde zu recherchieren begonnen.

Falschmeldung geht seit Jahren um

Schnell war klar: Diese Falschmeldung ist nicht neu. Mehrere internationale Faktenchecks enttarnten den "Rape Day" schon vor Jahren als Hoax. Bereits 2021 war im Netz die Rede davon. Auch heute sind die meisten Videos auf Tiktok dazu "alt", wurden 2022, 2023 veröffentlicht. Neben den Videos, die propagieren, wie gefährlich der 24. April für Mädchen sei, besteht ein weiterer großer Teil der Videos zum "Rape Day" aus Reaktionen von Userinnern, die klarstellen, dass diese Gerüchte nicht mehr als ein Fake seien. Das vermeintliche Originalvideo, in dem offenbar eine Männergruppe die Regeln für den "Rape Day" erklärt und Tipps dafür gegeben hat, ist nicht auffindbar. Wie hartnäckig sich Falschmeldungen im Netz halten können, wird aber an diesem Beispiel deutlich.

Es sind keine expliziten Drohungen, die auf Tiktok die Runde machen. Aber dass sich manche "Sorgen um Mädchen" am 24. April machen, hat auch bei den Schülerinnen einer Wiener Mittelschule Ängste ausgelöst.
Screenshot Tiktok

Um Filter und Sperren auf der Videoplattform zu umgehen, haben die Userinnen und User eigene Wege gefunden, ihre Videos zum "Rape Day" zu verbreiten. "National rp day", "grape day" oder "April24" sind etwa einige der Suchanfragen, die die App zulässt. Denn auf manchen Endgeräten wird beim Suchbegriff "Rape Day" die Meldung angezeigt, dass es dazu "keine Ergebnisse gibt".

Schulen mit Social-Media-Themen konfrontiert

Die Lehrerinnen der Wiener Mittelschule haben das Thema Fake News im Internet mit der betroffenen Klasse in den folgenden Unterrichtseinheiten intensiv besprochen und "sehr stark kommuniziert, dass es keinen Rape Day gibt". Danach seien vor allem die Schülerinnen beruhigt gewesen. Für die Landschulwoche gelten in der Nacht ohnehin strenge Regeln, betont eine Lehrerin im Gespräch mit dem STANDARD. Es sei eine strikte Geschlechtertrennung vorgesehen, mit verschärften Kontrollen. Dass sich alle Lehrkräfte hinlegen und Schülerinnen und Schüler heimlich Zimmer wechseln können, sei nicht der Fall. Auch in der Nacht werde kontrolliert.

Es ist eine andere Welt, in der sich Kinder und Jugendliche online befinden. Erwachsene bekommen davon häufig gar nichts mit. Auch die Lehrerin in der Wiener Mittelschule bemerkt, dass es "andere" und vor allem "mehr Themen" seien, die die Kinder beschäftigen und die man im Unterricht behandeln müsse. Sie mache das aber gerne, Medienkompetenz zu vermitteln sei schließlich essenziell. (Antonia Wagner, 22.4.2024)